Karfreitag

Jahr für Jahr beobachte ich den Rückgang der Besucher der Karfreitagsliturgie. Unsere Zeit verdrängt den Tod und ärgert sich über die christliche Todesverkündigung. „Deinen Tod verkünden wir“ – beten wir in der Hl. Messe. Ausgerechnet die Zeit, die den Tod uns tagtäglich durch  die Medien frei Haus liefert, möchte nicht daran erinnert werden, dass Christus einen ganz realen und schnöden Tod starb. Und viele Christen auch nicht! Etliche Priester, Seelsorger und spirituelle Gurus werden nicht müde zu betonen, wir sollen doch nur die Hoffnung zur Sprache bringen, wage davon reden, dass Gott die Gräber öffnet, dass Christus die Auferstehung und das Leben ist, dass er Licht in unser Leben bringt.

Wenn schon denn schon in der Weise wie die Sonne und Hoffnung wie der Regenbogen, so wie die Kuscheltiere, die man so gerne den kranken Kindern bringt und auch an Kindergräbern liegen lässt. Die Kuscheltiere und nicht das Kreuz! Selbst bei der Begräbniskultur wird der Tod Christi zurückgedrängt zugunsten von heilenden Erinnerungen an die schönen Stunden mit Verstorbenen, zugunsten der Würdigung der Leistungen der Lebenden und Toten. Erinnerungen und Leistungen decken den Tod in unserem unmittelbaren Lebensraum zu, und nehmen die Stelle der Verkündigung ein, dass Christus gestorben ist.

Gott aber ist kein Kuschelgott. Er macht sich fest an unserer Erde durch Jesus und wird erhöht am Kreuz. Gott stirbt den Tod der Menschen, um uns seine Nähe zu zeigen und uns von dem zu befreien, was unsere Sünde und Schuld ist. Er zeigt uns seine radikale Liebe gerade im Kreuzestod. Wie er uns auch seine Zuversicht und Hoffnung gibt in seiner Auferstehung.

Das Kreuz

KreuzHülfensbergWarum halten die Christen an einem Zeichen des Todes, dem Kreuz, als Zentrum ihres Glaubens fest? Paulus schreibt:

„Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben.Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein. Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben.Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.“ (Röm 6,3)
Und weil wir im Kreuz das Zeichen des Heils und der Befreiung sehen, werden wir nicht den Regenbogen, die Sonne oder irgend ein anderes, gefälligeres Zeichen ins Zentrum unseres Glaubens rücken, um das unbequeme Kreuz zu verdrängen. Und dabei spielt auch keine Rolle, wie oft das Kreuz durch die Jahrhunderte für andere Zwecke missbraucht wurde.
Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht:
Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen;er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen,damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesuund jeder Mund bekennt:  ‚Jesus Christus ist der Herr‘ – zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Phil 2,5-11)

Revisited: O Haupt voll Blut und Wunden

Vor knapp zwei Jahren habe ich eine kleine Rezension über das wohl bekannteste und beliebteste Passionslied der heutigen Zeit geschrieben: O Haupt voll Blut und Wunden. Was soll ich sagen: Irgendwer von den Machern des neuen „Gotteslobes“ muss diesen Artikel gelesen haben. Im neuen GL Nr. 289:

Die zweite Strophe wird jetzt im Original wiedergegeben:

2.
Du edles Angesichte,
Davor sonst schrickt und scheut
Das große Weltgewichte,
Wie bist du so bespeit!
Wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
Dem sonst kein Licht nicht gleichet,
So schändlich zugericht’t?

Als 5. Strophe fügt das neue im Vergleich zum alten „Gotteslob“ ein:

6. (Originalstrophe)
Ich will hier bei dir stehen,
Verachte mich doch nicht!
Von dir will ich nicht gehen,
Wenn dir dein Herze bricht;
Wenn dein Haupt wird erblassen
Im letzten Todesstoß,
Alsdann will ich dich fassen
In meinen Arm und Schoß.

Danach geht es wie im alten „Gotteslob“ mit den Strophen 8 bis 10 im Original weiter. Ja, das neue „Gotteslob“ wartet mit einigen interessanten Überraschungen auf, textlich wie auch melodiös. Da werd‘ ich wohl in nächster Zeit einige meiner Artikel visitieren müssen.

 

… Finsternis

Von der sechsten bis zur neunten Stunde herrschte eine Finsternis im ganzen Land. Um die neunte Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Einige von denen, die dabeistanden und es hörten, sagten: Er ruft nach Elija.  Sogleich lief einer von ihnen hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gab Jesus zu trinken. Die anderen aber sagten: Lass doch, wir wollen sehen, ob Elija kommt und ihm hilft.

Jesus aber schrie noch einmal laut auf. Dann hauchte er den Geist aus.  Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte und die Felsen spalteten sich. (Mt 27,45-51)

 

Das Letzte

Heute feiern die Christen weltweit das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Freunden. Nein, nicht das von da Vinci. Die Evangelisten beziffern sie auf Zwölf; die Tradition bezeichnet sie als Apostel. Was Jesus im Abendmahlssaal an seinen Freunden getan hat, das vollziehen wir im Gottesdienst heute nach. Auch wenn die Evangelisten abweichende Berichte schreiben, so sind es doch im Wesentlichen zwei Akzente: 1. die Hingabe in Brot und Wein und 2. die Fußwaschung.

Letzteres finden wir nur beim Evangelisten Johannes. Der wiederum kennt die bedeutenden Worte, die der Priester in persona Christi spricht, anscheinend überhaupt nicht. Bei Johannes lesen wir (Joh 13,1-17):

Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung.Es fand ein Mahl statt, und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn zu verraten und auszuliefern.

Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? Jesus antwortete ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Er wusste nämlich, wer ihn verraten würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.

Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. Amen, amen, ich sage euch: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat. Selig seid ihr, wenn ihr das wisst und danach handelt.

Auch wir sind heute aufgefordert, einander zu dienen, wie Jesus es getan hat und im Symbol der Fußwaschung, des Sklavendienstes, uns vorgemacht hat. Es kommt nicht in erster Linie darauf an, dass man eine Truppe findet für diese Fußwaschung, damit die Liturgie der Fußwaschung überhaupt und würdig zelebriert werden kann, nein es ist jene innere Einstellung jedes einzelnen Christen gegenüber seinem Nächsten, dem, der meine Hilfe braucht.

Missa Chrismatis

Ein Auto braucht ab und zu einen Ölwechsel. Ansonsten wird das Altöl unbrauchbar und das Auto bleibt liegen. Auch in der Kirche spielt Öl eine entscheidende Rolle. Neben Brot, Wein und Wasser ist Öl eine wichtige Substanz in der christlichen Liturgie. Christus, der Messias, bedeutet ja schließlich: der Gesalbte.

Die heiligen Öle müssen einmal im Jahr erneuert werden, denn sie können ranzig werden. Hauptbestandteil ist reines natives Olivenöl. Dem sind noch verschiedene Duftstoffe zugesetzt. Drei Öle für die Sakramente kennt die Katholische Kirche: das Katechumenenöl für erwachsene Taufbewerber, das Chrisamöl für Taufe und Firmung, das Krankenöl für die Krankensalbung. Diese werden in der Chrisammesse (missa chrismatis) geweiht.

Die Chrisammesse ist ursprünglich eine Messe am Gründonnerstag. Weil aber alle Kleriker, die an den Tisch des Ortsordinarius geweiht sind und somit in besonderes Weise am Priestertum Christi teilhaben, an dieser Messe teilnehmen sollen, ist sie outgesourced – wie das neudeutsch heißt – hier im Bistum Erfurt auf den Dienstag der Karwoche. Das Ganze nennt sich dann „Dies Sacerdotales“ – bisschen sehr veraltert, denn auch die Diakone sind mit dabei. Es müsste von daher heißen: „Dies Clericales“

In Erfurt beginnt die Ölweihmesse um 11:45 Uhr am Kardienstag im Erfurter Dom, für alle Gläubigen und Neugierigen zugänglich. Nach der Messe erklingt die Gloriosa, die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt, die schon zwei Haarrissreparaturen hinter sich hat und immer noch zu den wichtigsten Ereignissen und Gottesdiensten im (Kirchen)jahr erklingt und zu den Priesterweihen. Und diese Glocke muss man einmal gehört haben: Schlagton e. Eine ganz schöne Wumme mit einer Nachklingzeit von 6 Minuten.

Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt

Auch dieses Jahr wird sie wieder stattfinden: die größte und deutschlandweit wohl einzige Leidensprozession am Palmsonntag. Tausende Gläubige aus nah und fern kommen zu diesem Ereignis nach Heiligenstadt im Eichsfeld. Nachdem sie am Vormittag schon in den Gottesdiensten des Einzuges Jesu in Jerusalem gedacht haben und im Wortgottesdienst die Leidensgeschichte (Passion) Jesu Christi gehört haben, gehen viele diesen traditionellen Weg mit. Etwa  5000 – 8000 Teilnehmer und ebenso viele Zuschauer am Straßenrand sind es jedes Jahr. Dadurch hat es schon fast einen demonstrativen Charakter.

Ursprünglich war diese Prozession für den Karfreitag gedacht. Seit 1734 wurde sie jedoch auf den Palmsonntag verlegt. Die Karwoche gibt den Ton an, der diese Prozession mit seinen Liedern prägt. Die Darstellung der Passion Christi in einer Bilderfolge war in den Hochstiften Mainz, Würzburg und Bamberg sehr verbreitet. Die Jesuiten, die ja auch für die Rekatholisierung des Eichsfeldes zuständig sind, gelten als Urheber dieses Brauchtums und der besonderen Passionsfrömmigkeit.

Die Bilderprozessionen am Karfreitag waren eine Mischform zwischen dramatischer Darstellung des Leidens Christi auf der Bühne, wie sie das Spätmittelalter kannte und dem prozessionsweisen Nachvollzug des Leidens Christi, während dessen sich einzelne Teilnehmer öffentlich geißelten oder in der Nachfolge ihres Herrn Jesus Christus schwere Kreuze schleppten. Diese Tradition ist ja in Lateinamerika u.a. katholischen Ländern auch noch verbreitet.

Während jedoch die mittelalterlichen Passionsspiele unabhängig vom Ablauf des Kirchenjahres stattfanden und kaum liturgischen Charakter hatten, lässt sich die Prozession direkt zum liturgischen Gedächtnis an den Tod des Herrn zuordnen. Auch zu DDR-Zeiten war die Palmsonntagsprozession genau das, was auch die Jesuiten anstrebten: eine immer noch lebendige Form des Glaubensbekenntnisses, die sich mit Traditionen des Mittelalters verbunden und sich dennoch in der Neuzeit bis heute bewährt hat.

Die älteste Erwähnung des Umzuges ist 1581. Das Besondere sind die überlebensgroßen Figuren, die auf Tragegestellen bzw. mit Stangen (Kreuz) von Trägern mitgeführt werden. Sie stellen Jesus in den einzelnen Stationen seines Leidens dar. Die Figuren stammen mit Ausnahme der „Schmerzhaften Mutter“ aus den mittelalterlichen Anfängen. Der Ablauf der Prozession entspricht ebenso dem traditionellen Ursprung.

Um 14.00 Uhr setzt sich der Prozessionszug von der Lindenallee aus über die obere Altstadt – Heimenstein – Klausgasse – Wilhelmstraße – Göttinger Straße in Bewegung. Er findet in der Lindenallee auf der Höhe des Pfarramtes von St. Marien in einer Andacht seinen Abschluß.

Hier eine kleine Impression, die auch die Schwierigkeit der Synchronisation des Gesangs dieses Zuges ein wenig verdeutlicht. Durch die Länge und die unterschiedlichen Tempi der 2 Blaskapellen und des Gesangs der Leute kommt es zu Verschiebungen bis hin zu einer Strophenlänge.

Ökumenischer Jugendkreuzweg 2012

Der Vorbereitungskreis des Ökumenischen Jugendkreuzweges hat dieses Jahr die Passionsspiele Oberammergau entdeckt.

„Er- löse uns“ ist das Motto in diesem Jahr. Genau diese Erlösung durch Jesu Tod und Auferstehen wird an den Menschen erfahrbar, die diesen Leidensweg immer wieder nachvollziehen und ihn somit im Geiste mitgehen. Erlösung erwächst uns nicht aus einer heroischen  Tat eines Superhelden sondern aus der menschlichen Schwachheit. Dort, wo die Brüche in unserem Leben sind, genau da will Jesus uns heilen und somit die Macht des Bösen durchkreuzen.

Ein kurzes Wort zu den Materialien. Im Vergleich zum letzten Jahr ist die Lesbarkeit der Texte doch erheblich verbessert worden. Die Bilder sind den Passionsspielen aus Oberammergau entlehnt. Sie entstammen nicht aus den Aufführungen sondern sind inszenierte Photographie, die im März 2010 mit den Darstellern aus dem Dorf und jede Menge Scheinwerferlicht gemacht wurde. Es ist eine eigene Komposition der Künstlerin Brigitte Maria Mayer, in der die Körper und das ganze Geschehen zur Skulptur werden und somit Anspruch auf den Augenblick überdauernde Gültigkeit stellen.

Erlöse uns – Ökumenischer Kreuzweg der Jugend 2012

O Haupt voll Blut und Wunden

Es ist das Passionslied schlechthin. Paul Gerhardt (1607-1676) überträgt den lateinischen Hymnus Salve caput cruentatum“, der heute Arnulf von Löwen (1200–1250) zugeschrieben wird, 1656 im letzten Jahr seiner Amtszeit als Propst in Mittenwalde ins Deutsche. Lange Zeit hielt man Bernhard von Clairvaux (um 1090–1153) für den Verfasser dieses Gedichtes. Es ist Teil eines überlieferten Zyklus von sieben Meditationen zu den Gliedmaßen des Gekreuzigten, der im 17. Jahrhundert noch unter dem Titel Domini Bernhardi Oratio Rhythmica bekannt ist. Im Mittelalter ein sehr beliebtes Frömmigkeitsmotiv. Auch Buxtehudes „Membra Jesu Nostri“ liegt dieses Gedicht zugrunde.

Die Melodie war Gerhardt bekannt und lehnt sich an das Madrigal „Mein G’müt ist mir verwirret von Hans Leo Haßler (1564–1612) an. Die Melodie dieses 1601 herausgegebenen Liebesliedes fand schon 1613 Verwendung für die Vertonung des Sterbeliedes „Herzlich tut mich verlangen“. Johann Crüger, Organist und Freund Gerhardts, wird die Melodievereinfachung zugeschrieben.

Johann Sebastian Bach (1685–1750) verwendet in der Matthäuspassion (BWV 244) die ersten zwei der im Evangelischen Gesangsbuch (EG) unter der Nummer 85 abgedruckten Strophen, und in der Kantate „Sehet! Wir gehn hinauf gen Jerusalem“ (BWV 159) die sechste Strophe. Die Melodie erscheint außerdem in Bachs Weihnachtsoratorium zu Paul Gerhardts Text „Wie soll ich dich empfangen„, dem ersten Choral in Teil I (Nr. 5) und zu „Nun seid ihr wohl gerochen„, dem Schlusschor von Teil VI. Im Gotteslob (GL) finden wir unter der Nummer 179 sieben von zehn Strophen mit teilweise geändertem Text.

Wie schon erwähnt ist das Lied eines der schönsten Leidenslieder, die uns die Gesangbücher anbieten. Noch einiges dazu, was mir der Text bedeutet, was er mir sagt: Aus der tiefen mittelalterlichen Christusfrömmigkeit entstanden, die in den Leiden Christi seine Größe verehrte, zeigt das Lied seine wahre Menschheit. Es ist diese Diskrepanz zwischen innerer Größe und der äußeren Erniedrigung bis hin zum Tod. In ein schönes Gesicht blickt man gern. Wie von Strahlen umgeben kann uns manches Gesicht erscheinen. Und so wird das Antlitz Jesu auch oft dargestellt. Auf seinem Leidensweg aber ist sein Aussehen geprägt von den Zeichen der Grausamkeit und des Todes.

Schnell wird mir klar, dass Jesus auch für mich gelitten hat (siehe Strophe 4). Die Sünde, die eigene Schuld, wird heute mehr und mehr verdrängt. Es sind die Umstände, die Erziehung und die Gesellschaft und überhaupt immer die anderen. Wenn keine Ausrede mehr zieht, ist es eine psychische Erkrankung, deren Ursache man sich nicht erklären kann. Das eigene Versagen und die Stimme des Gewissens sind nur mehr Einredungen der katholischen Lehre. Viele Menschen meinen, die Sünde hat doch gar keinen Sitz im Leben mehr, es sei denn man ist Politiker und tut etwas, was man auch gerne machen würde oder bereits schon macht, aber Politikern oder generell anderen Menschen nicht gönnt.

Die Betrachtung aber geht weiter: Im Sterben Jesu, durch seinen Tod, zeigt sich die Liebe Gottes zu uns Sterblichen in der höchsten Vollendung. Das sollten wir uns immer bewusst machen, denn wir stehen in Christi Nachfolge. Wir sollen aus dieser Liebe heraus leben und letztlich auch so im Herrn sterben können. „Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, spricht der Geist, sie sollen ruhen von ihrer Mühsal; denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ (LUT Offb 14,13)

1.
O Haupt voll Blut und Wunden,
Voll Schmerz und voller Hohn,
O Haupt, zum Spott gebunden
Mit einer Dornenkron’,
O Haupt, sonst schön gezieret
Mit höchster Ehr’ und Zier,
Jetzt aber hoch schimpfieret:
Gegrüßet sei’st du mir!

Hier nimmt das Gotteslob eine Korrektur vor. Um die Dopplung in den Zeilen 5 und 6 zu vermeiden, heißt es dort:
O Haupt, sonst schön gekrönet
mit höchster Ehr und Zier, …
Und damit der Reim nicht auf der Strecke bleibt:
… jetzt aber frech verhöhnet …

2.
Du edles Angesichte,
Davor sonst schrickt und scheut
Das große Weltgewichte,
Wie bist du so bespeit!
Wie bist du so erbleichet!
Wer hat dein Augenlicht,
Dem sonst kein Licht nicht gleichet,
So schändlich zugericht’t?

Hier macht das Gotteslob eine ziemlich harte Korrektur, die die ersten 4 Zeilen z.T. auch in ihrem Sinn entstellt:
Du edles Angesichte,
vor dem sonst alle Welt
erzittert im Gerichte,
wie bist du so entstellt …

3.
Die Farbe deiner Wangen,
Der roten Lippen Pracht
Ist hin und ganz vergangen;
Des blassen Todes Macht
Hat alles hingenommen,
Hat alles hingerafft,
Und daher bist du kommen
Von deines Leibes Kraft.

4.
Nun, was du, Herr, erduldet,
Ist alles meine Last;
Ich hab’ es selbst verschuldet,
Was du getragen hast.
Schau her, hier steh’ ich Armer,
Der Zorn verdienet hat;
Gib mir, o mein Erbarmer,
Den Anblick deiner Gnad’!

Hier auch wieder einige kleine Korrekturen:
Was du, Herr, hast erduldet,

ich, ich hab es verschuldet …

Die folgenden Strophen sind nicht in’s Gotteslob aufgenommen worden:

5.
Erkenne mich, mein Hüter,
Mein Hirte, nimm mich an!
Von dir, Quell aller Güter,
Ist mir viel Gut’s getan.
Dein Mund hat mich gelabet
Mit Milch und süßer Kost;
Dein Geist hat mich begabet
Mit mancher Himmelslust.

6.
Ich will hier bei dir stehen,
Verachte mich doch nicht!
Von dir will ich nicht gehen,
Wenn dir dein Herze bricht;
Wenn dein Haupt wird erblassen
Im letzten Todesstoß,
Alsdann will ich dich fassen
In meinen Arm und Schoß.

7.
Es dient zu meinen Freuden
Und kommt mir herzlich wohl,
Wenn ich in deinem Leiden,
Mein Heil, mich finden soll.
Ach, möcht’ ich, o mein Leben,
An deinem Kreuze hier
Mein Leben von mir geben,
Wie wohl geschähe mir!

Jetzt hält sich das Gotteslob an den weiteren Text:

8.
Ich danke dir von Herzen,
O Jesu, liebster Freund,
Für deines Todes Schmerzen,
Da du’s so gut gemeint.
Ach gib, daß ich mich halte
Zu dir und deiner Treu’
Und, wenn ich nun erkalte,
In dir mein Ende sei!

9.
Wenn ich einmal soll scheiden,
So scheide nicht von mir;
Wenn ich den Tod soll leiden,
So tritt du dann herfür;
Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
So reiß mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein!

10.
Erscheine mir zum Schilde,
Zum Trost in meinem Tod,
Und lass mich sehn dein Bilde
In deiner Kreuzesnot!
Da will ich nach dir blicken,
Da will ich glaubensvoll
Dich fest an mein Herz drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Fronleichnam – Herrenleib

Woas is des jetz scho wedder? Latschen die Katholiken durchs Dorf und der Pfarrer trägt so ein merkwürdiges Gerät unterm Sonnenschirm, der von 4 Männern getragen wird. Dabei singen sie komische Lieder und die Musi spielt, aber man kann gar nicht danach tanzen?

Tja, die lieben religiös unmusikalischen Nachbarn würden das so ähnlich ausdrücken, wenn sie an Fronleichnam die Prozession durchs Dorf sich bewegen sehen. Ein richtig katholisches Fest mit einer festen christlichen Basis: das Abendmahl Jesu. Aber das haben wir doch schon an Gründonnerstag gefeiert? Genau, aber nicht so ausgelassen und fröhlich. Muss denn das sein? Denn so fröhlich ist das in Wirklichkeit nicht, wenn ich mir die Menge der Menschen ansehe, den schwitzenden Priester unterm sogenannten Himmel, die wachsbeschmierten Ministranten, die kaugummikauenden Erstkommunionkinder und die Kleinsten, die es nicht begreifen können, ihre schönen Blütenblätter einfach so auf die schmutzige Straße zu werfen.

Fronleichnam ist eines der „jüngsten“ Feste im kirchlichen Jahreskreis. Korrekterweise müsste man auch sagen: „Hochfest des Leibes und Blutes Jesu“. In deutschen Landen hat sich jedoch diese Bezeichnung erhalten, die sich aus dem Mittelhochdeutschen herleitet: vron licham, Leib des Herrn. Man glaubt es kaum, aber es ist vor allem wegen seiner Prozessionen beliebt. In Köln ist die erste davon bezeugt 1277. An Bedeutung nahm das Fest jedoch erst nach dem Trienter Konzil zu in der Reformationszeit und der Zeit der Gegenreformation. Der Priester trägt die „Monstranz“, jenes Zeigegerät, das eine gewandelte Hostie beinhaltet, die Gemeinde folgt ihm. An vier im Freien aufgebauten Altären werden Fürbitten gebetet und der Priester gibt jeweils den eucharistischen Segen in den entsprechenden Intensionen.

Während in katholischen Gebieten, in denen dieser Tag staatlicher Feiertag ist, die Umgänge am Donnerstag selbst abgehalten werden, finden sie in den anderen Teilen Deutschlands, in der Diaspora, meist am darauf folgenden Sonntag statt, begleitet oft mit einem Gemeindefest. Das unterstreicht meiner Meinung den fröhlichen Festcharakter: Jesus ist mitten unter uns, im Alltag und im Feiern. Weil er stets im Leib und Blut bei den Menschen ist, gehen wir mit ihm durch unsere Straßen. Und dann schauen wir noch einmal genauer hin: Da sind die Ministranten, die voller Stolz das Kreuz, die Kerzen und den Weihrauch tragen. Ich sehe die Erstkommunionkinder in ihrer festlichen Kleidung, die es genießen wiederum im „Mittelpunkt“ zu stehen. Die Blumenkinder, die mit vollen Händen die Blütenblätter in die Luft werfen. Die Bläser, die voller Inbrunst „Großer Gott wir loben dich“ intonieren. Und die Jungen und Alten der Gemeinde, die laut mitsingen. Nicht zuletzt sehe ich den Priester, der ganz in Andacht versunken den Leib Christi durch das Dorf trägt, mitten in das Leben der Menschen.

Palmbuschen und Hosianna

Kinder basteln Palmbuschen im Garten. Für die Palmsonntagsprozession will jeder etwas in der Hand haben. Buchsbaum und bunte Bänder und Kreppblumen und weiss-ich-nicht-was binden sie zusammen auf einen Stock. Den Kreuzweg haben sie betrachtet, ähnlich wie gestern Abend die Jugend.

Der Organist hat schon die Noten für „Singt dem König Freudenpsalmen“ in seine Aktentasche gepackt, die ortsunübliche Melodie. Wo kann man denn heute noch ein GL-Lied singen mit „ortsüblicher Melodie“ bei den zusammengewürfelten Gemeinden? Naja, ausgenommen in den katholischen Hochburgen. Aber nicht hier in der Diaspora.

Jetzt noch schnell ein paar warme Worte finden. Nicht zu lang sollen sie sein, denn das Evangelium wird ja draussen verlesen und nach der Passion soll sich ja gleich das Credo anschließen. „Die Palmprozession mit der anschließenden Eucharistiefeier ist die Eröffnung der Liturgie der Kar- und Ostertage, die am Gründonnerstag, am Karfreitag und in der Osternacht ihre Höhepunkte findet. Es geht in diesen Tagen nicht um eine fremde Sache, die uns nichts angeht. „Res mea agitur“. Es geht um meine Sache; es geht nicht nur um das Schicksal Jesu, sondern auch um mein Schicksal“, so schreiben wir es und noch ein bißchen drumherum, dann passt es hoffentlich. Und sind meine Gedanken auch manchmal unrasiert, der Heilige Geist findet schon seinen Landeplatz.

Gesegnete Kartage.